Was tun, wenn die Worte fehlen?

Über Sex reden zu können ist elementar für eine erfüllte und freie Sexualität.

Je besser du darüber reden kannst, umso besser kannst du sagen, was du dir wünscht, was deine Bedürfnisse sind, was dir gefällt oder nicht, was dir gut tut oder nicht, umso freier bist du und umso mehr kannst DU für DICH einstehen. Auch, oder gerade, wenn es darum geht, STOP oder NEIN zu sagen.

Oft lassen Frauen in der Sexualität einfach „etwas über sich ergehen“, weil sie sich nicht trauen, oder keine Worte dafür haben, etwas zu sagen. Oder anstatt etwas zu sagen, verweigern sie sich lieber komplett der Sexualität. Ganz nach dem Motto „das brauche ich nicht“ und schneiden sich dadurch von einer kraftvollen Lebensenergie ab.

Und das ist schade, sehr schade. Denn die fehlende Kommunikation, die Unfähigkeit über die eigenen sexuellen Bedürfnisse zu reden, ist meist durch Scham und gesellschaftliche-religiöse Konventionen bedingt.

„Darüber spricht man nicht…“

Wer kennt diesen Satz nicht? Doch das ist schlicht und einfach hinderlich.

Denn wie wollen wir etwas benennen, unsere Bedürfnisse äußern, wenn wir nicht darüber reden und keine Worte dafür haben? Oder uns die Worte dafür im Hals stecken bleiben und nicht über die Lippen kommen?

Interessant ist, wie viele Menschen immer noch von „da unten“ sprechen. Und das in der heutigen Zeit, wo Sex doch so allgegenwärtig und präsent ist. Meistens geht es bei „da unten“ um die Frau. Schaut man sich allein die Sprache an, kann ich gut verstehen, dass Frauen oft so schambesetzt sind.

Wir haben einen Schamhügel, Schamhaare, kleine Schamlippen, große Schamlippen, die Scham … Habe ich was vergessen?

Beim Mann fallen mir, von dem was benutzt wird, nur die Schamhaare ein. Und während bei Jungs schon im Kindesalter von seinem „besten Stück“ gesprochen wird, und wie sehr er darauf achten muss, spricht man bei Mädchen wenn überhaupt von „da unten“.

Über die Sprache kann sehr gut und sehr viel Scham und Scheu

abgebaut werden.

Gewisse Sachen sollten einfach laut ausgesprochen und geübt werden, dann verlieren sie auch ihren Schrecken. Die gute Nachricht ist, du kannst es lernen, egal wie jung oder alt du jetzt bist. So habe ich es auch gemacht. Vor ein paar Jahren noch habe ich nicht einmal über Sex geredet. Und heute ist es einfach nur normal. Ich erlebe oft in Beratungen und Workshops wie befreiend es für Frauen ist, diese Schwelle zu überschreiten und die Dinge einfach beim Namen zu nennen.

Ein erster Schritt kann sein, sich für all die medizinischen Ausdrücke der Genitalien (was für ein Wort!), einen eigenen Wortschatz zuzulegen. Wie sage ich z.B. zu meiner Vagina oder Vulva? Wie nenne ich sie? Vagina oder Vulva klingt ja nicht gerade sexy und lustvoll. Wenn du Lust hast, nimm dir Zeit und mach dir eine Liste, wenn du noch keinen sexuellen Wortschatz für dich hast. Auf der einen Seite die schlimmen und abwertenden Wörter für die Vagina. Auch das ist gut, wenn du dir bewusst machst, was für dich gar nicht geht, und auf der anderen Seite die schönen und für dich in Frage kommenden. Und dann sprich sie laut aus und spüre hin, welches für dich passend ist. Du kannst auch deine Hand auf deine Vulva legen, 3 tiefe Atemzüge nehmen und sie fragen und hinhören. Sie wird dir antworten.

Setzte die Liste fort und führe alles auf was beim Sex zum Einsatz kommt, und zwar nicht nur bei dir, sondern auch beim Mann. Lass nicht nur den Kopf entscheiden, sondern spüre hin, sei spielerisch damit, probier die Worte aus, sprich sie laut aus. Du kannst dich dazu auch in eine erotische Stimmung versetzen und mit deiner Lust gehen.

Sind die Worte erst einmal gefunden und über die eigenen Lippen gekommen, ist es gar nicht mehr so schwer, mit jemand anderem darüber zu reden. Nur Mut.

In diesem Sinne ende ich heute mit einem Zitat von Ludwig Wittgenstein:

„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“

Viel Spaß und Freude für dich

Ute

PS: Wenn du nichts mehr verpassen willst, dann trage dich unten ein in den Lust-Letter und erhalte gratis Wissenswertes, Praktisches und Provokantes zur weiblichen Sexualität.

© Fotolia #55657215 | Urheber: Patrizia Tilly

Du bist der Maßstab – Wieso es Sinn macht, sich selbst ernst zu nehmen.
Spielereien mit der Lust